Nudging Mitarbeiterbefragungen

Nudging einsetzen, um die Response bei Befragungen zu erhöhen

Das Entscheidungsverhalten der Menschen ist komplex. Die Vorstellung, dass wir Menschen immer genau abwägend, in voller Selbstkontrolle, genau nach Einberechnung aller Konsequenzen die immer „richtige“ Entscheidung treffen, wird wohl niemand teilen können. Menschen entscheiden sich nämlich oft ganz und gar nicht rational und auf Basis von klaren Kosten-Nutzen-Aspekten. In vielen Studien der Verhaltensökonomie konnte nachgewiesen werden, dass Entscheidungen und Verhalten von Menschen sogar häufig irrational, inkonsistent und durch Umweltfaktoren beeinflusst sind.

PRINZIPIEN DES NUDGING

Die zwei Wissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein haben 2008 in ihrem legendären Buch „Nudge – Wie man kluge Entscheidungen trifft“ den Begriff Nudging geprägt. Er bedeutet „Anstoßen“ bzw. „Anstupsen“ und zeigt uns Möglichkeiten auf, das menschliche Verhalten sanft durch Veränderung des Entscheidungskontextes zu verändern. Dabei, und das ist wichtig, bleiben Autonomie und Entscheidungsfreiheit des Menschen durchaus bestehen.
Die Verhaltensökonomie hat auf Basis vieler Studien und Beobachtungen bestimmte Muster, sogenannte generelle Entscheidungshierarchien oder Heuristiken, herausgefunden. Mit diesem Wissen ist es nun möglich, Nudges, also Anstupser zu entwickeln, die Menschen – ohne Manipulation – dazu animieren sollen, eine „gute“ Entscheidung zu treffen.

Eine „gute“ Entscheidung wäre zum Beispiel die Teilnahme an einer Mitarbeiterbefragung.

Aus vielen Studien haben sich vier wesentliche Verhaltenstendenzen herauskristallisiert, an denen sich Verhaltensanreize orientieren sollen:

  1. Trägheit & Aufwandsreduktion: Menschen tendieren dazu, bestimmte Verhaltensweisen aufrecht zu halten, Verhaltensänderungen aufzuschieben und Aufwand zu reduzieren
  2. Framing & Präsentation: Entscheidungen sind abhängig vom Kontext bzw. von der (attraktiven) Präsentation der Entscheidungsoptionen
  3. Soziale Einflüsse & Normen: Das Verhalten der Menschen wird von anderen, z.B. der Peergruppe (Gruppendruck) bzw. angesehenen Personen beeinflusst (MeinungsführerInnen)
  4. Günstiger Zeitpunkt: Menschen orientieren sich in ihrem Entscheidungsverhalten häufig an gleichzeitig dargebotenen bzw. richtig getimten Hinweisen

8 NUDGES ALS ANREGUNG

Gerne stellen wir hier einige Entscheidungsmuster und die dazu passenden Nudges vor, die helfen können, die Response bei Mitarbeiterbefragungen zu steigern.

Menschen orientieren sich an Vorbildern und angesehenen Personen
Nudge #1: Nutzen wir in der Kommunikation von Mitarbeiterbefragungen Personengruppen wie z.B. Führungskräfte, Betriebsräte, MeinungsführerInnen, ExpertInnen des Dienstleisters etc. als „Influencer“ durch Appelle bzw. Vorbilder („Ich habe bereits mitgemacht!“).

Menschen sind bequem und bevorzugen Entscheidungen, die einfach und ohne Aufwand zu treffen sind
Nudge #2: Eliminieren wir alle Hürden im gesamten Befragungsprozess, wie etwa die Eingabe eines Zugangscodes, ein umständlicher Zugang zum Fragebogen etc., und ziehen wir die Teilnehmenden schnell in den Fragebogen hinein (z.B. die erste Frage steht bereits im Einladungsmail).

Menschen folgen Gruppennormen und orientieren sich an dem, was üblich ist
Nudge #3: Kommunizieren wir im Befragungszeitraum die aktuellen Teilnahmequoten, oder jene des Benchmarks-Schnitts („Andere Unternehmen hatten eine Teilnahmequote von 79%!“).

Menschen wollen eindeutig verstehen, was von ihnen erwartet wird
Nudge #4: Geben wir auf dem Weg zum Fragebogen klare Richtungsweise bzw. Handlungsaufforderungen, sogenannte „Call-to-Actions“, indem der Teilnahme-Link z.B. klar farblich markiert ist, der Zugang zu Befragungsterminals mit Bodenmarkierungen versehen ist etc. Begrenzen wir Auswahlmöglichkeiten und eventuelle Ablenkungen auf diesem Weg. Einladungstexte sollten ganz kurz gehalten sein.

Menschen sind verspielt, lachen gerne und wollen sich selbst und anderen gerne Freude bereiten
Nudge #5: Verbinden wir die Information über die Befragung und die Teilnahme daran mit positiven Emotionen und Symbolen. Wir können zusätzlich als Gag im Zuge des Beantwortungsprozesses bei der Abgabe (online oder an der Urne) anfeuernde Geräusche wie z.B. Applaus, Jubel… zuspielen.

Menschen brauchen ein Feedback, um zu verstehen, was ihr Verhalten bewirkt
Nudge #6: Bereits im Vorfeld sollte informiert werden, was, wann mit den Ergebnissen passiert. Ein klarer, nachvollziehbarer und transparenter Follow up-Prozess mit Rückmeldung der Ergebnisse (z.B. Maßnahmen, Aktivitäten, Veränderungen) ist ein Muss.

Menschen brauchen einen Ich-Bezug des Verhaltens im Bezug zu einem übergeordneten Sinn
Nudge #7: Betonen wir in der Kommunikation, dass jede einzelne Stimme einen wichtigen Beitrag für das Unternehmen und dessen Weiterentwicklung liefert.

Menschen sind durch Anreize bzw. durch die Verlustvermeidung aktivierbar
Nudge #8: Hervorhebung, dass das Ausfüllen des Fragebogens selbstverständlich in der Arbeitszeit erfolgt, sowie dass bei Verzicht auf die Teilnahme das Risiko eingegangen wird, wichtige Entscheidungen nicht mit beeinflussen zu können.

GRUNDSÄTZE BEI DER ENTWICKLUNG VON NUDGES

Das Wissen über diese grundsätzlichen Entscheidungs-Hierarchien macht es nun möglich, gezielt Nudges zu entwickeln.
Bei der Entwicklung dieser Nudges müssen wir aber beachten, die Grenze zur Manipulation nicht zu überschreiten.
Hier sind ein paar Tipps, wie man wirksame Nudges entwickelt:

  • Nudges sollten gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt werden, auch bei voller Transparenz über die Wirkmechanismen
  • Die Zielrichtung der Nudges soll bereits zu Beginn klar entschieden werden
  • Die Entscheidungsfreiheit der Menschen soll weiterhin gewährleistet sein
  • Alle Entscheidungsalternativen sollen weiterhin gegeben sein

In unserem Fall geht es um das sanfte Anstupsen von Menschen, bei einer Befragung teilzunehmen. Die Teilnahmequote bei Mitarbeiterbefragungen ist nämlich eine wichtige Qualitätskennzahl, die Ergebnisse absichert. Je mehr Teilnehmende, desto stabiler sind die Ergebnisse.

DAS MINDSPACE-MODELL FÜR DIE GESTALTUNG VON NUDGES

Nudges beruhen auf den oben beschrieben Verhaltensmuster bzw. -tendenzen. Das MINDSPACE-Modell (Vlaev et al., 2016) beschreibt aus unserer Sicht sehr gut die wesentlichen Mechanismen.
Messenger: Beeinflussung durch den Absender einer Information
Incentives: Die Vermeidung von Verlusten und das Erzielen von Gewinnen steuert unser Verhalten
Norms: Soziale Normen beeinflussen unser Verhalten
Defaults: Vorausgewählte Handlungsoptionen sind handlungsleitend
Salience: Der Fokus unserer Aufmerksamkeit wird auf neue und für uns relevante Reize gelegt
Priming: Bestimmte Hervorhebungen, Platzierungen und Gestaltungen von Reizen, insbesondere zeitlich richtig gesetzt, wirken beeinflussend auf unser Verhalten
Affect: Gefühle leiten unser Verhalten
Commitments: Wir verhalten uns eher konsistent zu unseren abgegebenen Verpflichtungen
Ego: Die eigenen Bedürfnisse sind verhaltensbeeinflussend

Mit diesem Modell ist es einfacher, gezielt Nudges zu entwickeln, die auch genau den darunterliegenden Verhaltensmechanismen entsprechen.