Evidenz schlägt Bauchgefühl

Das Bauchgefühl bietet uns oft eine gute Orientierung, wenn es gilt, Entscheidungen zu treffen. Wir greifen dabei auf unser Erfahrungswissen zurück, wir nutzen Best Practices, hören auf den Tipp vertrauenswürdiger Fachleute oder lassen uns stark von den neuesten Trends beeinflussen. Wenn viele Menschen diesem Ansatz folgen, muss er ja gut sein.

Leider wird unser Bauchgefühl aber häufig durch kognitive Verzerrungen, sogenannte Bias, getäuscht. Und gerade in den heutigen VUCA-Zeiten (volatile – uncertain – complex – ambiguous) des schnellen Wandels und der hohen Unsicherheiten sind Entscheidungen, die auf Fakten oder geprüften Datengrundlagen basieren, einfach erfolgreicher. Wir sprechen von Evidenzbasiertem Management (EbM).

Prinzipien der Evidenz im Management

Evidenzbasiertes Management hat das Ziel, Entscheidungen aufgrund von zwei wesentlichen Grundlagen zu treffen, nämlich die individuelle Expertise der beteiligten Personen sowie die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz.

Die wichtigsten Prinzipien des Evidenzbasierten Managements haben Prof. Felix Brodbeck und Prof. Ralph Woschée von der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammengefasst. Sie bieten uns – als Fragestellungen formuliert – eine hilfreiche Unterstützung:

  • Welche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge insbesondere auf die gewünschten Zielgrößen können wir beobachten?
  • Wie können wir in unserer Organisation eine Kultur aufbauen, die kontinuierlich fundierte Analysen und evidenzbasierte Entscheidungsfindung fördert?
  • Wie können wir moderne Datenanalysen und Methoden nutzen?
  • Wie gelingt es uns, praktikable Systeme und Prozesse der evidenzbasierten Entscheidungsfindung zu implementieren?
  • Wie können wir Teil der Community werden, die dem Ansatz des Evidenzbasierten Managements folgt?

Evidenzbasiertes Management in der Praxis

Wir benötigen aber nicht jedes Mal eine umfangreiche wissenschaftliche Analyse oder sogar Dissertation für wichtige Entscheidungen. Aber wir sollten uns nicht zufriedengeben mit teilweise oberflächlichen, deskriptiven Informationen und Daten, wie z.B. einer singulären Fokusgruppe oder einem simplen Stimmungsbarometer. Deren Attraktivität ist leider sehr hoch, weil sie schön vereinfachen oder zusätzlich oft in Dashboard-Systemen hübsch aufbereitet werden.

Die größten Verführer von falschen Entscheidungen sind aber Moden und Trends, denn sie verleiten uns zum unreflektierten Nachhoppeln.

Nicht umsonst geben die zwei Begründer des Evidenzbasierten Managements, Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton als einen ihrer wichtigsten Ratschläge folgendes mit: „Anstatt für das Neue sollten wir uns für das Wahre interessieren.“

Was bedeutet das nun konkret für uns in der unternehmerischen Praxis? Suche einfach nach Evidenz, und zwar nach außen und auch nach innen:

  • Externe Evidenz suchen, d.h. wissenschaftlich geprüfte Ursache-Wirkungszusammenhänge in das eigene Entscheidungsverhalten einfließen lassen. Wichtige Quellen dabei sind dabei Erkenntnisse der Sozialwissenschaften, Sozialpsychologie und aktuell ganz besonders der Verhaltensökonomie. Fragen wir uns einmal ehrlich: wieviel Zeit verwenden wir regelmäßig für einen Abgleich mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die für unsere Entscheidung wichtig sein können? Wie oft vertiefen wir uns in relevante Fachliteratur?
  • Interne Evidenz suchen: d.h. wo gibt es im näheren Umfeld der eigenen Organisation Beispiele von Evidenz bzw. von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen? Hier können professionell durchgeführte Befragungen von Stakeholdern, also Mitarbeiterbefragungen oder Kundenbefragungen herangezogen werden. Also eher weg von Self-Service-Tools und quick-and-dirty Analysen und hin zu seriösen Anbietern, die auch eine Expertise mit höherwertigen Methoden, wie z.B. Treiberanalysen oder KI-Ansätzen bieten. Professionelles Befragungs-Know How hat seinen Wert und ROI.

Ein grundlegender Schritt ist darüberhinaus getan, wenn wir im Alltagsgeschäft der unternehmerischen Praxis kontinuierlich die Perspektive von Wissenschaftler*innen einnehmen. Ein Mindset, das offen an Themen herangeht, Forschungsfragen stellt, skeptisch gegenüber neuen „bahnbrechenden“ Ansätzen ist, einzelnen Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten eher misstraut und auch sein Umfeld zu kritischem Feedback anregt.

Das Autor*innenteam eines Fachbuchs für Evidenzbasierte Verbrechensprävention prägte bereits im Jahr 2002 diesen Satz, der gerade heutzutage einen hohen Stellenwert bekommen soll: „Wir haben alle ein Recht auf unsere eigene Meinung, nicht aber auf unsere eigenen Fakten.“ (Farrington et. al.).

Wenn Sie mehr über Evidenzbasiertes Management wissen wollen, schreiben Sie uns doch Ihre Frage oder Ihren Bedarf in unser Kontaktformular.