Anleitungen zum Widerstand, oder wie Organisationen Resilienz trainieren können.
Wie jede Krisensituation macht Corona vieles erst wirklich transparent: die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit von Menschen und Organisationen. Wir reden von Resilienz.
Dabei ist es am spannendsten, den Blick statt auf die Resilienzfähigkeit des einzelnen Menschen zu richten, sich der organisationalen Resilienz zuzuwenden, also der Widerstandsfähigkeit von Organisationen.
Zuallererst müssen wir den Begriff Resilienz verstehen. Resilienz ist nicht etwas, was man hat, sondern vielmehr etwas, was man tut. Es ist ein Ansatz, eine Organisation und deren Menschen in widrigen Situationen erfolgreich zu führen. Er umfasst die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, aber auch die Anpassungsfähigkeit in Richtung Neuausrichtungen. Organisationen können sich zur Resilienz bzw. für resilientes Verhalten entscheiden. Sie können auch Resilienz trainieren.
Ein Blick rundum beweist es tagtäglich: viele Organisationen scheinen Corona besser zu bewältigen als andere. Resilienz ist offensichtlich unterschiedlich ausgeprägt. Wir können das mit unseren Tools Corona-Review und COVFit Pulse-Check gut nachvollziehen. Aber woran liegt das?
Handlungsfelder der Resilienz von Organisationen
In ihrem bemerkenswerten Artikel „Resilience in action: leading for resilience in response to COVID-19“ haben Michelle A. Barton et al. (2020) aus ihren Forschungsarbeiten drei wichtige Handlungsfelder herausgearbeitet. Diese drei Hebel der Resilienz haben sehr viel mit der Lernfähigkeit von Organisationen und mit Aufmerksamkeit zu tun. Sie umfassen sowohl Schnelligkeit im Handeln als auch Phasen der Überlegung, des Kalibrierens und gemeinsamen Reflektierens. Diese Erkenntnisse können wir ebenfalls gut mit unseren Befragungen bestätigen. Hier die drei Empfehlungen der AutorInnen im Detail:
1. Produktive Unterbrechungen schaffen
Chaos und Krisen treten meist plötzlich auf, und die betroffenen Menschen neigen dazu, diese in einer „Augen-zu-und-mit-Vollgas-durch-die-Krise-Mentalität“ zu bewältigen. Der Wunsch nach Schnelligkeit und der starre Fokus auf das zuallererst erkannte Problem versperrt aber den notwendigen Blick auf weitere Herausforderungen, auf Veränderungen des Krisen-Umfelds. Kleine Signale der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des eigenen Krisenmanagements werden überhört. Maßnahmen werden bei Änderungen der Situation nicht entsprechend angepasst und sind nicht wirklich wirksam.
Eine Lösung dazu ist es, gezielte Unterbrechungen zu schaffen und zu prüfen, wie die Situation sich verändert hat, welche neuen Maßnahmen erforderlich sind. Huddles, sogenannte kurze Spielerversammlungen im American Football, in denen Spielzüge, geänderte Taktiken besprochen werden, können dabei sehr hilfreich sein. Diese „Krisen-Meetings“ sind ein wichtiger Austausch, in denen Teammitglieder ihre Wahrnehmungen und Gefühle schildern, in denen Ergebnisse von Analysen (z.B. Pulse-Checks oder Corona-Reviews) besprochen werden. Maßnahmen können kalibriert, mögliche Fehlentscheidungen revidiert werden.
2. Bestehende Ressourcen nutzen
In der Krise werden oft alle Regeln und Ressourcen, die in der Normalität gültig waren, ausgesetzt. Widerstandsfähige Teams aber machen vorerst eine Bestandsaufnahme dessen, womit sie arbeiten müssen, nämlich bestehende Abläufe, vorhandene Ressourcen und gelernte Routinen. Das Krisenmanagement sollte auf diesen Ressourcen aufbauen und sie gegebenenfalls entsprechend anpassen.
Das Nutzen vorhandener Stärken bietet in volatilen und komplexen Situationen eine gute Erfolgsbasis. Ziel, so das Team der ForscherInnen, ist es nämlich immer noch, Ordnung im Chaos zu schaffen, aber unter Besinnung, was die Organisation weiß und gut leisten kann. Neukonfiguration, Umverteilung und Neuverwendung gehören zu den Best Practices von Teams, die unter in herausfordernden Situationen arbeiten müssen.
3. Emotionen zulassen
Krisensituationen werden immer von vielen Emotionen begleitet, z.B. Angst, Unsicherheit, Wut. Es wäre völlig falsch, diese Emotionen zu ignorieren bzw. herunterzuspielen, denn sie verschwinden damit nämlich überhaupt nicht. Richtig ist es, sich genau diesen Gefühlen zu stellen und sie direkt anzusprechen.
Menschen reagieren emotional unterschiedlich auf Krisen. Diese Gefühlsdiversität sollte respektiert werden. Emotionen betreffen immer das gesamte Team und dürfen nicht als individuelles Thema abgetan werden. Was hilft? Gezielte Pausen machen, Gefühle ansprechen und diese auf die Teamebene heben, also sie als Herausforderung für alle Beteiligten und die gesamte Organisation zu betrachten.
Resilienz kann man trainieren
Unter dem Strich geht es in Krisen darum, schnell zu verstehen, was passiert und wirksame Maßnahmen zu entwickeln, schnell zu lernen und sein Verhalten entsprechend anzupassen. Diese Kompetenz zu entwickeln und zu kultivieren, bedeutet organisationale Resilienz zu trainieren.
Dabei sollten auch vorhandene Ressourcen und Routinen gezielt genutzt werden: Kommunikationsprozesse, Entscheidungen, Feedback-Tools. Diese müssen vielleicht nur leicht angepasst werden, aber sie sind meist gut verfügbar und helfen, in einer unklaren Situation Überblick und damit Sicherheit zu gewinnen.
Wir haben in unseren Befragungsprojekten oft erkennen können, dass Ruhe und Besonnenheit wirksamer sind als das schnelle und heftige Krisenmanagement. Ein weiteres gutes Zeichen von erfolgreichem Krisenmanagement ist es, wenn Krisenstäbe nicht nur aus Mitgliedern des Top-Managements bestehen, sondern auch Mitarbeitende aus verschiedensten operativen Teams am Entscheidungsprozess integriert sind.
Literatur: Barton M.A., Christianson M., Myers C.G., et al., BMJ Leader 2020;4:117–119
Anleitungen zur Resilienz in Organisationen.
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