„Jammern auf hohem Niveau“: Zwischen Anspruch und Stillstand

In vielen Unternehmen gehört es zum Standardprozess, Feedback von Mitarbeitenden einzuholen. Das klingt zunächst nach einem offenen und modernen Ansatz, bei dem das Management und Führungskräfte bereit sind, zuzuhören und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Doch wenn kritisches Feedback gegeben wird, folgt nicht selten eine abwehrende Reaktion: „Das ist doch Jammern auf hohem Niveau.“ Dieser Satz wird nicht nur von Führungskräften geäußert, sondern oft auch von den kritikübenden Mitarbeitenden selbst.

Was auf den ersten Blick wie eine berechtigte Einordnung wirken mag, ist bei genauerem Hinsehen ein zweischneidiges Schwert. Denn hinter dieser Aussage kann sowohl ein ungesundes Anspruchsdenken als auch eine gefährliche Resistenz gegenüber Veränderung stecken.

Wenn Verbesserungen schnell zur Normalität werden

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass positive Veränderungen am Arbeitsplatz oft nur kurzfristige Wirkung zeigen. Verbesserte Arbeitszeitmodelle, modernisierte Abläufe, zusätzliche Benefits oder gar Gehaltserhöhungen werden schnell als Selbstverständlichkeit angesehen. Was gestern noch als Gewinn gefeiert wurde, ist morgen schon Teil des Status Quo – und weckt neue Erwartungen.

Dieses Verhalten ist menschlich. Psychologen sprechen vom „Hedonic Treadmill“-Effekt (Hedonistische Tretmühle), bei dem sich das Zufriedenheitsniveau nach positiven Veränderungen rasch wieder auf ein gewohntes Level einpendelt. Führungskräfte erleben dies als Frustration: „Wir tun so viel und es wird trotzdem weiter geraunzt.“ Die Einschätzung des Jammerns auf hohem Niveau bestätigt sich.

Die Kehrseite: Veränderungsresistenz durch Abwertung von Kritik

Doch genau hier lauert die Gefahr. Der Satz „Jammern auf hohem Niveau“ birgt die Gefahr, berechtigtes Feedback vorschnell abzuwerten. Wenn Mitarbeitende auf Missstände oder mögliche Optimierungen hinweisen, sollte das nicht als Luxusproblem abgetan werden. Denn genau diese Hinweise können wertvolle Ansatzpunkte für Innovationen und Effizienzsteigerungen sein.

In einer Zeit, in der Unternehmen sich kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die träge Zufriedenheit mit dem Status quo ein Innovationshemmnis. Veränderung entsteht aus dem kritischen Blick auf bestehende Strukturen.

Was können Unternehmen tun?

Wie also umgehen mit diesem Spannungsfeld? Hier einige Lösungsansätze:

  1. Kommunikation von Verbesserungen intensivieren:
    Verbesserungen sollten stärker kommunikativ begleitet werden. Anstatt neue Maßnahmen einfach „laufen zu lassen“, können regelmäßige Vorher-Nachher-Vergleiche den Mehrwert sichtbar machen. Ein interner Newsletter oder Team-Updates könnten den Fokus auf bereits erreichte Erfolge legen. Damit kann der Effekt der Hedonistischen Tretmühle abgeschwächt werden.
  2. Job-Rotation für Perspektivenwechsel:
    Mitarbeitende, die verschiedene Rollen und Abteilungen kennenlernen, entwickeln häufig ein besseres Verständnis für die eigenen Rahmenbedingungen. Der Vergleich mit anderen Arbeitsrealitäten führt oft zu einer höheren Wertschätzung des bisherigen Status.
  3. Gezielte Analyse von Kritik:
    Feedback sollte strukturiert ausgewertet werden. Welche Punkte sind berechtigte Optimierungsvorschläge? Was sind unrealistische Wunschvorstellungen? Die klare Unterscheidung hilft, relevante Impulse von bloßen (und manchmal auch frechen) Forderungen zu trennen.
  4. Transparente Ablehnung von irrealen Forderungen:
    Unrealistische Wünsche sollten nicht einfach ignoriert werden, sondern mit nachvollziehbaren Begründungen abgelehnt werden. Diese Transparenz schafft Verständnis und signalisiert trotzdem Wertschätzung für die Meinungen der Mitarbeitenden.
  5. Feedback in verschiedenen Formaten etablieren:
    Neben Mitarbeiter:innenbefragungen kann kontinuierliches Feedback in Form von kurzen Check-ins oder retrospektiven Meetings dafür sorgen, dass Kritik als normaler Bestandteil des Arbeitsalltags etabliert wird.

Ein konstruktiver Umgang mit Kritik als Schlüssel zur Weiterentwicklung

„Jammern auf hohem Niveau“ ist oft ein Reflex, der Veränderungen blockiert. Unternehmen sollten daher achtsam mit dieser Haltung umgehen. Denn in einer Zeit, in der Innovation und Weiterentwicklung essenziell sind, kann das ernsthafte Hinhören auf Kritik den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen.

Führungskräfte und Teams müssen lernen, berechtigte Anliegen von bloßem Anspruchsdenken zu unterscheiden – und Kritik als wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung zu sehen. Der Unterschied zwischen der Wahrnehmung von „Jammern“ und „konstruktivem Feedback“ liegt nämlich nicht immer in der Aussage selbst, sondern in der Art, wie man darauf reagiert.

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